Der Strumpf braucht die richtigen Löcher

Textiltechnik trifft Medizin: Das Team um Valentine Gesché entwickelt ein Verfahren, mit dem sich individuelle Gefäß-Implantate automatisiert herstellen lassen.

Patienten, die unter einer krankhaften und zunehmenden Aussackung der Hauptschlagader (Aortenaneurysma) leiden, werden bisher mit einem Implantat behandelt, bei dem viel Handarbeit gefragt ist.
Um das Implantat für den einzelnen Patienten passend herzustellen, werden die abgehenden Öffnungen, etwa für die lebenswichtigen Nierenarterien, per Pappschablone positioniert und dann ausgestanzt oder ausgeschnitten. Die Ränder dieser produzierten Öffnungen müssen anschließend verstärkt werden, um Ausfransungen zu vermeiden. „Um ein solches Implantat herzustellen, sind bis zu acht Wochen nötig“, sagt Valentine Gesché. „Eine Zeitspanne, in der die Aorta auch reißen kann.“

Valentine Gesché und ihr Team sind ein Spin-off der RWTH Aachen. Sie haben ein Verfahren entwickelt, das es möglich macht, die Implantate weit schneller und auch kostengünstiger zu produzieren. Grundlegend ist dabei, dass die Fertigung komplett automatisiert abläuft.

Durchgängige digitale Prozesskette

„Vereinfacht sehen die wichtigen Schritte so aus: Wir erhalten einen computertomographischen Bilddatensatz aus der Klinik. Aus diesem erstellen wir eine technische Zeichnung des präzise individualisierten Implantats. Dann, und das ist das wirklich neue Know how, wandeln wir diese Informationen in Daten für die Textilmaschine um. Diese produziert in einem ebenfalls neuen Herstellungsverfahren das Implantat.“ Das sieht am Ende aus wie ein Strumpf, sagt Gesché. Was die 33-jährige Textilingenieurin als „durchgängige digitale Prozesskette“ beschreibt, nimmt weniger als eine Woche in Anspruch.

Derzeit ist das Team im Rahmen des vom Bundes-Forschungsprogramm Exist geförderten Projekts „PerAGraft“ damit befasst, das Produkt weiter auszuarbeiten. Valentine Gesché wurde für ihre Forschungsarbeit im Mai 2019 mit dem NRW-Innovationspreis ausgezeichnet. Bis 2023 will ihr Team das Verfahren marktreif machen – und dabei auch weitere Anwendungen im menschlichen Körper erschließen.

17.07.2019