Stadt der Zukunft

„Papa, rette du doch mal die Erde!“ – Diese Aufforderung seiner Tochter motivierte Maschinenbauingenieur Achim Kampker, eine CO2-neutrale Stadt der Zukunft zu planen. Denn eigentlich war es ihm schon lange klar: Wenn es um Klimaschutz geht, „ist es fünf nach zwölf, vielleicht sogar schon zehn nach zwölf“, sagt Kampker: „Wir müssen einfach mal anfangen; das tue ich jetzt.“ Und so ging er hin, den Planeten zu retten.

Den Planeten retten? Hehrer Plan! Wie will er das schaffen? Sein Plan für die CO2-neutrale Stadt der Zukunft: Der RWTH-Professor möchte Humanotope bauen. Humano-was? Humanotope sind nach seiner Vorstellung Städte oder Stadtteile mit etwa 25.000 Einwohnern, innerhalb derer alles, was der Mensch zum Leben braucht, vorhanden ist und produziert wird. Alles wird nachhaltig, ökologisch einwandfrei und CO2-neutral hergestellt, auch die Energie und die Mobilität, die das Humanotop selbst benötigt. Ein Humanotop ist also ein Mikrokosmos, voller Artenvielfalt, den seine Bewohner theoretisch nicht mehr verlassen müssen.

Evolution statt Revolution

Man kann sich das in etwa so vorstellen, dass Gemüse in Naturgärten in der Nähe des nächsten Landwirts gezogen würde, um Logistik-Aufwand und Emissionen so gering wie möglich zu halten. In einem Humanotop würde der Begriff „Verkehrswende“ eine neue Dimension und andere Richtung erhalten. Evolution statt Revolution. Ein wesentlicher Aspekt ist nämlich, die Abhängigkeit von individueller Mobilität weitestgehend zu beenden. Kindergärten, Schulen, Arbeitsplatz und Vereine wären innerhalb eines Humanotops idealerweise fußläufig oder per Rad zu erreichen. Plus: Soziale Unterschiede sollen aufgeweicht werden: Der Sozialhilfeempfänger wohnt neben dem Millionär in einem großen Mehrfamilienhaus. Was Kampker da skizziert und in seinem 3D-Modell zeigt, ist also nicht weniger als eine neue Welt mit neuer gesellschaftlicher Zukunft.

Ein Verein für Ingenieure, die die Welt retten möchten

Aber wie will der eigentliche Pionier der E-Mobilität, Umweltschützer und ambitionierte Stadtplaner das verwirklichen? Vor einigen Wochen hat er den Verein „Ingenieure retten die Erde“ gegründet. Es sei an der Zeit, sagt Kampker, dass Ingenieure daran arbeiten, Mensch und Natur zu versöhnen. Das ist das primäre Ziel seines Vereins, das schon in der Satzung Niederschlag findet: Jeder, der dabei sein möchte, muss beruflich und privat eine Vorbildrolle bezüglich des Schutzes der Umwelt einnehmen.

Bis zum Herbst diesen Jahres möchte der Verein zwei Wettbewerbe ausschreiben: einen Ideenwettbewerb, in dem das Humanotop weiter konkretisiert werden soll. Was wird dort gebraucht, was ist möglich? Und einen Wettbewerb, in dem sich interessierte Städte, Gemeinden und Landkreise mit konkreten Flächen bewerben können, die zum Humanotop umgebaut werden sollen. Fünf deutsche Städte sind von sich aus auf den Verein zugekommen. Dazu gehört auch die Stadt Aachen; die sieht zum Beispiel im alten Industriegebiet an der Jülicher Straße im Aachener Norden Chancen, ein Humanotop zu erbauen.

Ein Humanotop zu bauen, würde mehrere Milliarden Euro kosten. Klar ist, dass es ohne Investoren nicht geht, aber Kampker will einen Beitrag leisten: In den nächsten Wochen plant er in seinem gemeinnützigen Verein ein Fundraising-Konzept, mit dem öffentlich Geld als Grundkapital gesammelt werden soll. Und wer den Maschinenbauer kennt, weiß, dass seine Visionen keine Utopien bleiben. Immerhin machte er mit der Streetscooter GmbH die E-Mobilität marktfähig.

„Aufzustehen und einfach mal zu machen, ein Risiko für die nachfolgenden Generationen einzugehen, das tun zu wenige“, sagt Kampker. Aber er tut´s – wahrscheinlich nicht zuletzt für seine Tochter.

 

17.09.2019