Warum wir Studierende aus China brauchen

G 8-Schwemme, knappe Ressourcen im Bildungsbereich: Brauchen wir da wirklich noch internationale Studierende? Ja klar, sagt Marcus Baumann, Rektor der FH Aachen.

 

FutureMag: Die FH sieht sich als „regionale Hochschule mit internationaler Ausrichtung“. Wie macht sich Ihr internationaler Anspruch bemerkbar?
Baumann: Zum Beispiel durch enge Kooperationen mit ausländischen Hochschulen, wie etwa der University of Wisconsin oder der RMIT University in Melbourne. Aber auch dadurch, dass wir uns sehr um ausländische Studierende bemühen.

FutureMag: Wie sieht das aus?
Baumann: Ende der 1990er Jahre war es sehr schwierig, junge Leute für Jülich zu begeistern. Die vielen Vorteile dort, wie etwa die praktische Einbindung in Forschung und Entwicklung, haben nicht ausgereicht, um bei den Studierenden zu punkten und den Standort auszulasten. Da kam uns die Idee, gezielt junge Menschen aus Asien, vor allem aus China, anzusprechen, die ganz erpicht darauf sind, in Deutschland zu studieren. Das wird ihnen aber in aller Regel verwehrt, weil sie nicht die nötige Zugangsqualifikation mitbringen. Also haben wir unser Freshman Institute gegründet. Dort werden die Kandidaten ein Jahr lang ertüchtigt. Sie lernen Deutsch, vertiefen Fächer wie Mathe und können – nach bestandener Abschlussprüfung – ganz normal bei uns studieren.

Ein Freshman-Jahr für 17.000 Euro

FutureMag: Wer bezahlt das?
Baumann: Die Freshmen. Für 17.000 Euro werden sie ein Jahr lang vollversorgt: mit einem Platz im Wohnheim, Verpflegung und Unterricht.

FutureMag: Und später?
Baumann: Sollten sie allein klar kommen. Und das scheint gut zu funktionieren. In China ist das Programm so bekannt, dass wir mehr Bewerber haben, als wir aufnehmen können. Das liegt natürlich auch daran, dass man bei uns im Gegensatz zu Ländern wie USA oder den Niederlanden keine Studiengebühren zahlen muss, wenn man es einmal ins reguläre Studium geschafft hat.

FutureMag: Wie viele internationale Studierende gibt es denn an der FH?
Der Großteil – fast 1500 – kommt aus Asien, aus China, Vietnam oder Korea. Dann haben wir 916 Studierende aus dem europäischen Ausland, mehr als 250 Afrikaner und fast 100 Amerikaner.

FutureMag: Woher kommt der Großteil Ihrer Studierenden?
Baumann: 80 Prozent der Studierenden der FH Aachen kommen aus der Region, aus einem Umkreis von 60 Kilometern. Das passt auch gut, weil wir vor allem für junge Leute aus der Region da sein und ihnen eine erstklassige Vorbereitung für ihr Berufsleben geben wollen.

FutureMag: Werden bei Ihnen Seminare auf Englisch gehalten?
Baumann: Im Masterprogramm gibt es ganze Studiengänge auf Englisch. Gerade in den technischen Fächern, die 85 Prozent unseres Angebots ausmachen, ist Englisch ja lingua franca. Die Fachsprache ist mit englischen Termini durchsetzt, und für das global vernetzte Arbeitsleben ist Englisch unerlässlich.

FutureMag: Wie kommt das bei den Einheimischen an?
Baumann: Gut. Wer sich für einen englischsprachigen Studiengang einschreibt, tut das ja bewusst.

„Wer zurückgeht, trägt die Wertschätzung für Deutschland in sein Heimatland“

FutureMag: Warum brauchen wir internationale Studierende?
Baumann: Ich könnte jetzt von den vielen tollen interkulturellen Begegnungen schwärmen. Von gemeinsamen Essen, vom neugierigen Staunen angesichts der jeweils fremden Kultur. Das an sich ist schon ein hohes Gut. Aber ich bin mir darüber im Klaren, dass solche Argumente allein nicht ausreichen, um den hohen Aufwand zu rechtfertigen. Der Punkt ist: Diese jungen Leute arbeiten in der Regel nach ihrem Studium drei, vier Jahre in Deutschland und werden so immer vertrauter mit der hiesigen Kultur. Wenn sie danach zurück in ihr Heimatland gehen, stehen sie dort Unternehmen zur Verfügung, in denen ein deutscher Hintergrund gebraucht wird. VW in China sucht zum Beispiel immer händeringend nach technischen Fachkräften, die sowohl wissen, wie die chinesische Wirtschaft tickt als auch auf deutsche Qualitätsstandards eingeschworen sind. Und chinesische Unternehmen, die mit Deutschland Handel treiben oder als Zulieferer für deutsche Firmen arbeiten, sind natürlich auch auf Mitarbeiter mit interkulturellen Skills angewiesen.

FutureMag: Was sagen Sie Kritikern, die das Abwandern von kostbarem Knowhow beklagen, wenn ein Absolvent in sein Heimatland zurückkehrt?
Baumann: Ja klar passiert das. Aber wo ist denn die Alternative? Angesichts der demographischen Entwicklung sind wir dringend auf qualifizierte junge Leute angewiesen, wenn wir unsere Produktionskraft und damit am Ende das Funktionieren unserer Gesellschaft aufrechterhalten wollen, egal, woher sie kommen. Und die Rückkehrer exportieren ja nicht nur ihr Knowhow, sondern tragen auch eine Wertschätzung für die deutsche Kultur in ihre Heimat. Wer Deutschland kennengelernt hat, wird lieber Handel mit uns treiben als Krieg machen.