Wo Konkurrenten beste Freunde sind

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben häufig zu wenige finanzielle Mittel und Kapazitäten, um zielgerichtet Forschung und Entwicklung zu betreiben. Daher kommen sie auch oft erst spät dazu, wichtige technologische Entwicklungen aufzugreifen. Im Werkzeugbau springt da die WBA in die Bresche, die Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH. Sie ist das Dach von aktuell mehr als 80 Mitgliedsunternehmen, unter dem zum Nutzen aller Mitglieder gemeinsame Forschungsprojekte organisiert und betrieben werden – da werden aus Konkurrenten zumindest zeitweise beste Freunde.
Prof. Wolfgang Boos erklärt, wie die Arbeit der WBA in der Praxis aussieht. Das kann er, weil er ihr Leiter ist.


 

Aachener Werkzeugbau Akademie, das hört sich nach Weiterbildung an…
Tatsächlich sind Weiterbildung und Industrieberatung zentrale Gechäftsfelder der WBA. Wir bieten maßgeschneiderte Weiterbildungsformate für Nachwuchskräfte und das Führungspersonal der Werkzeugbaubranche an. Und wenn Betriebe spezifische Fragestellungen auf dem Weg zum industriellen Werkzeugbau haben, werden sie von unseren Experten kompetent unterstützt. Ganz besonders wichtig ist aber der Bereich der konsortialen Forschung.

Was bedeutet das?
Die Mitglieder der WBA-Community treffen sich regelmäßig und verabreden dabei gemeinsame Projekte, sei es zum Thema Trendscouting, zum Benchmarking aktueller Werkzeugbauthemen oder auch zu gemeinsamen Forschungsprojekten.

Und welche Rolle spielen Sie?

Mit dem besonderen Methodenwissen der Einzel- und Kleinserienfertigung ist die WBA gerade in der Entwicklungs- und Prototypenphase für alle produzierenden Unternehmen ein sehr guter Partner, da bei uns im Center mit der ganzheitlichen Prozesskette und dem Maschinenpark des Werkzeugbaus sehr schnell Prototypen neuer Produkte erstellt werden können.

In Ihrem Center forschen also Wettbewerber zusammen am selben Thema – wie muss man sich das vorstellen?
Die WBA-Mitglieder haben zu Beginn ihrer Zusammenarbeit Regeln vereinbart, die das gemeinsame Forschen in der Community ermöglichen – trotz der Wettbewerbssituation. Dabei sind zum Teil beeindruckend kreative Lösungen herausgekommen. Das Interesse an der Zusammenarbeit und der damit verbundenen Hoffnung auf ein besseres Ergebnis war eben einfach größer als das Konkurrenzdenken, das es leider in einigen Unternehmen noch immer gibt. Denn unsere Mitglieder haben verstanden, dass die Konkurrenz des deutschen Werkzeugbaus primär im osteuropäischen und asiatischen Ausland sitzt und das gemeinsame Ziel sein muss, den Standort Deutschland und damit das eigene Unternehmen systematisch zu stärken.

Das passt ja bestens zum Campus Melaten, wo die WBA zu Hause ist – und wo das Zusammenwirken von Zweckgemeinschaften aus interdisziplinären Wissenschaftlerteams und Industriekonsortien Programm ist. Sie sind 2017 in das Cluster Produktionstechnik eingezogen – haben Sie sich eingelebt?
Ja, sogar ausgesprochen gut. Erst hier konnten wir unsere einzigartige Erlebniswelt Werkzeugbau und den Demonstrationswerkzeugbau unter einem Dach vereinen und können jetzt das gesamte Potenzial ausschöpfen. Gerade die Erlebniswelt, in der neue Technologien und Produkte bereits in der Entwicklungsphase vorgeführt werden, ermöglicht es den WBA-Mitgliedern und neuen Interessenten, über die einzelnen Herausforderungen des industriellen Werkzeugbaus zu diskutieren und neue Projekte zu starten.

Wie hat sich denn der Werkzeugbau seit der Gründung der WBA 2010 verändert?
Der fundamentale Wandel hin zum industriellen Werkzeugbau ist nach wie vor das zentrale Thema der Branche. Unterstützt wird der Wandel durch die Möglichkeiten der Digitalisierung und Vernetzung, Stichwort Industrie 4.0. Das bedeutet den Einsatz intelligenter Werkzeuge und eine selbstoptimierende Herstellung von Werkzeugkomponenten. Die Entwicklungen im Zuge der additiven Fertigung wie dem 3D-Druck von Komponenten oder ganzen Werkzeugen betrachtet die Branche häufig mit Sorge, wobei solche Verfahren nach Analysen der WBA-Community durchaus als sinnvolle Prozessunterstützung anzusehen sind und nicht als existenzbedrohende Gefahr.

 

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05. Dezember 2018