Wo mikrometerkleine Körper tanzen

Future Lab Aachen vor Ort: Das DWI–Leibniz-Institut für Interaktive Materialien hat die Idee aufgegriffen, Wissenschaft sichtbar zu machen – und für den Anfang schon mal Oberbürgermeister Marcel Philipp zur Besichtigung eingeladen.

 

Beim Institutsbesuch erhielt Marcel Philipp, begleitet von den städtischen Beigeordneten Susanne Schwier und Prof. Dr. Manfred Sicking, einen Einblick in drei aktuelle Forschungsprojekte der Aachener Materialwissenschaftler.

„Für uns ist es wichtig, mit noch höherer Intensität den Einblick in die vielschichtige und hochspannende Aachener Forschungslandschaft zu bekommen“, sagte Philipp am Rande des Besuchs in den DWI-Laboratorien. „Um gemeinsam zeigen zu können, auf welch hohem wissenschaftlichen Niveau in unserer Stadt die Zukunft vorangetrieben wird und welch bedeutenden Standortfaktor Innovation und Wissenschaft für Aachen darstellen, sind Begegnungen wie diese heute von großem Wert.“
 
Wissenschaftler brauchen ein modernes, weltoffenes Umfeld
Das fanden auch die Forscher. „Wir freuen uns sehr über das Gespräch mit dem Oberbürgermeister und den städtischen Beigeordneten“, so Prof. Dr. Martin Möller, DWI-Direktor und Inhaber des Lehrstuhls für Textilchemie und Makromolekulare Chemie an der RWTH Aachen. „Unsere Wissenschaftler brauchen das Umfeld einer modernen, weltoffenen Stadt und haben im Gegenzug Spannendes zu bieten. Das betrifft nicht zuletzt das Zusammenspiel von Erkenntnisgewinn und der Anwendung dieser Erkenntnisse für eine Welt, welche für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet ist. Hier konzentriert sich das DWI ganz besonders darauf, über die interdisziplinäre Zusammenarbeit Forschungsdisziplinen neu zu verbinden, um organische Materialien für neue Technologien zu entwickeln.“ Im DWI forschen Polymerchemiker, Biotechnologen, Verfahrenstechniker und Physiker gemeinsam und nutzen die Synergien, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben.
 
Verletzungen des Rückenmarks heilen
DWI-Nachwuchsgruppenleiterin Dr. Laura De Laporte stellte beim Institutsrundgang ihre Forschung für eine minimalinvasive Therapie für Verletzungen des Rückenmarks vor. In einem EU-geförderten Projekt entwickelt sie ein injizierbares Biomaterial, das als Gerüstmatrix die Regeneration von beschädigten Nervenbahnen im Rückenmark fördern soll. Grundlage für dieses Material sind weiche, wasserreiche Polymernetzwerke, die an Ort und Stelle im Körper ein Gel bilden und dann die Bedingungen der natürlichen Zellumgebung imitieren. „An diesem Projekt arbeiten Doktoranden und Studierende aus der Chemie, dem Ingenieurwesen, der Biotechnologie und der Physik. Jeder bringt seine eigenen Kenntnisse ein und bildet sich kontinuierlich in den verschiedenen Bereichen weiter. So entstehen durch eine interdisziplinäre Herangehensweise komplexe neue Materialien“, beschrieb Laura De Laporte.
 
Winzige Motoren aus Gel
„Die Institute der Leibniz-Gemeinschaft, zu der auch das DWI gehört, verbinden erkenntnisorientierte Forschung mit einer Anwendungsperspektive“, erklärte Martin Möller. „Auch hinter sehr abstrakt wirkenden Forschungsprojekten steckt eine Idee für eine Anwendung.“ Abstrakt und gleichzeitig faszinierend wirken die Gel-Objekte, die Doktorand Hang Zhang über einen Computerbildschirm tanzen lässt. Jedes Objekt ist nur ein Bruchteil eines Millimeters groß. Die Gele bestehen zu 80 bis 98 Prozent aus Wasser und verändern durch Aufnahme und Abgabe von Wasser ihre Form. Die DWI-Wissenschaftler können eine solche Formveränderung durch einen kurzen Impuls mit Infrarotlicht auslösen und so erstaunlich schnelle Bewegungen der Gelstrukturen erreichen. Im Rahmen eines vom Europäischen Forschungsrat mit 2,3 Millionen Euro geförderten Projektes möchte Martin Möller mit seinem Team diese Gele zu winzigen Motoren weiterentwickeln, die eine zukünftige Anwendung in Chiplaboren (lab-on-a-chip devices) haben könnten.
 
Umweltfreundliche Wasserentsalzung
Prof. Dr.-Ing. Matthias Wessling und Doktorandin Alexandra Rommerskirchen zeigten den Besuchern eine neue, umweltfreundliche und zugleich sehr effiziente Technologie zur Wasserentsalzung, die gemeinsam von Wissenschaftlern des DWIs und der Aachener Verfahrenstechnik entwickelt wurde. Das elektrochemische Verfahren basiert auf Elektroden aus Kohlenstoff-Partikeln und ermöglicht eine kontinuierliche Aufbereitung der Elektroden während des laufenden Entsalzungsprozesses.